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Das erschöpfte Selbst

Depression und Gesellschaft in der Gegenwart

Lenzen, Manuela / Klaus, Martin
Erschienen am 08.01.2015
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593501109
Sprache: Deutsch
Umfang: 340
Format (T/L/B): 2.0 x 21.0 x 14.0 cm

Beschreibung

Eigenverantwortung, Selbstverwirklichung, Streben nach Glück und Erfolg sind Ansprüche, die in der modernen kapitalistischen Gesellschaft wie selbstverständlich von jedem und jeder übernommen werden. Viele Menschen scheitern daran und reagieren mit innerer Leere, mit Depression, Antriebslosigkeit und Suchtverhalten auf ihr vermeintliches »Versagen«. So lautet die Analyse des französischen Soziologen Alain Ehrenberg, dessen Buch – 1998 in Frankreich erschienen, 2004 in deutscher Übersetzung – zu einem Bestseller wurde. Inzwischen ein Klassiker, erscheint das Buch in einer Neuausgabe mit einer aktuellen Einleitung des Autors. »In einer faszinierenden Zusammenführung von quantitativer Sozialforschung, Psychiatriegeschichte und Sozialpsychologie zeigt Ehrenberg, dass die Ausbreitung depressiver Erkrankungen die Folge einer institutionellen Überforderung der Subjekte ist.« Axel Honneth »Ein brillanter Essay über den Zustand des modernen Menschen.« Psychologie Heute

Autorenportrait

Alain Ehrenberg, geb. 1950 in Paris, ist Soziologe und Leiter der Forschungsgruppe »Psychotropes, Politique, Société« (Psychopharmaka, Politik, Gesellschaft) am Centre National de Recherche Scientifique (CNRS), Paris. Mit »Das erschöpfte Selbst« wurde er international bekannt. 2010 folgte sein Buch »La société du malaise«, dt. »Das Unbehagen der Gesellschaft« (2011).

Rezension

Der Preis der Freiheit

»›Das erschöpfte Selbst‹ ist in vielerlei Hinsicht eine wertvolle Studie für die Auseinandersetzung mit Depressionserkrankungen. Es beinhaltet zahlreiche Erzählstränge und vereint dabei unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen.« Lara Gfrerer, socialnet.de, 30.05.2016 »Das Werk eignet sich insbesondere für kritische Leser, die psychische Erkrankungen und Erschöpfungszustände in der modernen Gesellschaft auf eine teils provokative Art in Beziehung zu den modernen Behandlungsstrukturen im Gesundheitssystem setzen möchten.«, Psychotherapie im Dialog, 24.09.2018

Leseprobe

Jenseits der Depression: Wovon wir reden, wenn wir von mentaler Gesundheit reden Zur Neuausgabe 2015 Dieses Buch kam in Frankreich im Jahr 1998 heraus, in deutscher Übersetzung im Jahr 2004. Seine Neuausgabe erscheint hier unverändert - nicht weil das Buch eine Überarbeitung nicht nötig gehabt hätte, sondern weil es von Anfang an als eine Baustelle angelegt war, um neue Forschungswege zu erschließen. Seine Grenzen veranlassten mich zu weiteren Untersuchungen, mit denen die angeschnittenen Perspektiven präzisiert werden konnten. Diesen Perspektiven will ich mich hier widmen. Soziale Pathologie, soziale Leiden: Individualismus als gesellschaftliches Leid Die Frage nach mentaler Gesundheit ist - über den medizinischen Aspekt hinaus - zu einem zentralen gesellschaftlichen und politischen Problem unserer Zeit geworden. Die Angst- und Depressionssymptome, die den Kern der meisten psychischen Leiden ausmachen, werden heute zu einem Großteil als soziale Leiden verstanden, als Leiden, deren Ätiologie in der Gesellschaft zu suchen ist (bei Kindern in der Schule, bei Erwachsenen in der Arbeit) - anders gesagt: als eine soziale Pathologie. So wird die Ergänzung des Wortes "Pathologie" durch das Adjektiv "sozial" den Leitfaden unserer Untersuchung bilden. Der Grundgedanke ist, dass die Pathologien das Produkt sozialer Beziehungen sind, dass sie deshalb etwas über unsere Lebensgewohnheiten verraten, über die Art und Weise, wie wir in der Gesellschaft leben und handeln, und dass aus diesen Pathologien eine moralische, gesellschaftliche und politische Lehre zu ziehen ist. Diese Lehre dreht sich um das Problem des gesellschaftlichen Leids - eines Leids, das durch schädliche, ungesunde, ungerechte oder repressive soziale Beziehungen verursacht wird. Die Art der Symptome enthüllt uns eine Kehrseite der Entwicklung moderner Gesellschaften. Vor diesem Hintergrund verknüpft heute eine starke Strömung kritischen Denkens die Fragen der Ungerechtigkeit und, allgemeiner, der Beschaffenheit sozialer Beziehungen mit dem Problem des psychischen Leidens. Gehen wir von den Schriften Axel Honneths aus, weil der Begriff der sozialen Pathologie im Zentrum seiner Kapitalismuskritik steht. Honneths Ansatz erscheint mir repräsentativ für einen soziologischen und anthropologischen Zugang zu den Fragen mentaler Gesundheit, wohingegen ich nach einem deskriptiven Ansatz suche. Er ist Teil einer allgemeinen Tendenz, die man das Modell von Herrschaft und Widerstand nennen könnte, ein Modell, demzufolge psychische Leiden und geistige Pathologien Gegenstand einer radikalen Kritik der modernen Gesellschaft sind. Das erschöpfte Selbst wurde (allzu) oft diesem Modell zugeordnet - vielleicht deshalb, weil Axel Honneth die vorliegende Übersetzung seinerzeit angeregt hat und sie in der Schriftenreihe des Instituts für Sozialforschung publiziert wurde; aber auch deshalb, weil es den entwickelten Perspektiven an Präzision fehlte. Honneth nimmt an, "dass es in der Sozialphilosophie vordringlich um eine Bestimmung und Erörterung von solchen Entwicklungsprozessen der Gesellschaft geht, die sich als Fehlentwicklungen oder Störungen, eben als >Pathologien des Sozialen<, begreifen lassen" (1994, S. 10). In seiner Analyse des neoliberalen Kapitalismus vertritt er den dialektischen Gedanken, dass der Kapitalismus die in den 1960er Jahren zutage getretenen Protestpotentiale und Selbstverwirklichungsideale vereinnahmt, instrumentalisiert und in eine "Ideologie der Entinstitutionalisierung" verwandelt habe; das Resultat sei "die Entstehung einer Vielzahl von Symptomen innerer Leere, des Sich-Überflüssig-Fühlens und der Bestimmungslosigkeit" (2002, S.146). An die Stelle der marxistischen Analyse der Widersprüche von Kapital und Arbeit tritt der Gedanke der "Paradoxien" des neuen Kapitalismus, zum Beispiel der Tatsache, dass er sich der Anerkennung bedient, sie aber instrumentalisiert - so ist nicht mehr von "Arbeitskräften" die Rede, sondern von Arbeitne

Inhalt

Inhalt Jenseits der Depression: Wovon wir reden, wenn wir von mentaler Gesundheit reden Zur Neuausgabe 2015 9 Einleitung: Das souveräne Individuum oder die Rückkehr der Nervosität 25 I. Ein krankes Subjekt Welche Geschichte der Depression? 41 1 Die Genese des psychischen Wesens 47 2 Elektroschock: Technik, Gemüt und Depression 79 3 Die Vergesellschaftung einer undefinierbaren Krankheit 109 II. Der Niedergang der Neurose Die Krise der neurotischen Depression und die Veränderung in der Darstellung des Subjekts 145 4 Die psychologische Front: Schuld ohne Gesetz 149 5 Die medizinische Front: Die neuen Wege der Depression 187 III. Das unzulängliche Individuum Die pathologische Handlung oder: Die zweite Veränderung im Bild des Subjekts 223 6 Der depressive Defekt 225 7 Das unbestimmte Subjekt der Depression und die Individualität am Ende des 20. Jahrhunderts 255 Schluss: Die Last des Möglichen 303 Danksagung 308 Literatur 309 Anhang: Vorwort zur deutschen Erstausgabe 2004 von Axel Honneth 337

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