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Usurpation und Autorisierung

Konstituierende Gewalt im globalen Zeitalter

Erschienen am 11.01.2018
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593508863
Sprache: Deutsch
Umfang: 363
Format (T/L/B): 2.0 x 21.0 x 14.0 cm

Beschreibung

Der politische Raum jenseits des Staates ist in den vergangenen Jahrzehnten zum Schauplatz folgenreicher Prozesse der Verfassungsbildung geworden. Markus Patberg argumentiert, dass der globale Konstitutionalismus mit Problemen der Usurpation einhergeht. Diese können überhaupt erst erkannt und einer Lösung zugeführt werden, wenn man die Kategorie der verfassunggebenden Gewalt für die suprastaatliche Ebene neu entwickelt. Im Zentrum seiner Studie steht die Frage, wie ein legitimer Modus der Autorisierung konstitutioneller Normsetzung aussehen könnte.

Autorenportrait

Markus Patberg, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität Hamburg.

Rezension

»Usurpation und Autorisierung ist ein rundum gelungenes, nicht nur lesbares, sondern auch lesenswertes Buch. Markus Patberg geht die großen Theoriefragen postnationaler Verfassungspolitik mit viel Ehrgeiz und Umsicht an. Durch eine Kombination aus beeindruckender Belesenheit, konziser Kritik und durchweg konsistenter Theoriekonstruktion erschließt er der Internationalen Politischen Theorie ein ganzes Forschungsfeld. Das Werk hat dadurch wegweisenden Charakter.« Christian Kreuder-Sonnen, Soziopolis »Der Reiz der Untersuchung [besteht] darin, dass sie die verfassunggebende Gewalt einerseits demokratietheoretisch revitalisiert und einen Vorschlag entwickelt, sie in ein Modell der Institutionalisierung zu überführen. Allein schon aufgrund der instruktiven Systematisierung der gegenwärtigen internationalen Debatte um verfassunggebende Gewalt diesseits und jenseits des Staates hält die Studie eine Fülle an interessanten Überlegungen bereit.« Verena Frick, Politische Vierteljahresschrift, 17.07.2019

Leseprobe

Vorwort Dieses Buch ist das Ergebnis einer langjährigen Auseinandersetzung mit dem Thema der verfassunggebenden Gewalt jenseits des Staates. Zu Beginn eines (politik-)wissenschaftlichen Projekts ist nicht immer absehbar, ob die ursprüngliche Relevanz einer Fragestellung den Zeitläuften standhalten wird. Auch wenn sich in dieser Einschätzung vielleicht lediglich meine Betriebsblindheit offenbart, scheint mir das Problem der demokratischen Legitimität suprastaatlicher Verfassungspolitik angesichts von Entwicklungen wie den Auseinandersetzungen über Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA, der technokratischen Neuausrichtung der EU während der Eurokrise oder der wachsenden Kritik am Internationalen Strafgerichtshof heute dringlicher denn je. Bei ihren Versuchen, konstitutionelle Ordnungen auf der suprastaatlichen Ebene zu errichten oder zu erhalten, treffen Regierungen zunehmend auf partizipationsorientierten Widerstand der Zivilgesellschaft. Zuletzt hat das Brexit-Referendum die Bürgerinnen der in der EU verbleibenden Staaten mit der Frage konfrontiert, wie sich die Zukunft der europäischen Integration nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs gestalten sollte. Diese Studie ist dem Problem gewidmet, wie sich suprastaatliche Verfassungspolitik als eine Praxis von freien und gleichen Bürgern gestalten ließe. Ihr zentraler Beitrag liegt darin, die Vorstellung eines suprastaatlichen pouvoir constituant einzuführen. Das Buch ist aus meiner Dissertation hervorgegangen, die ich im Februar 2016 an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg eingereicht und im darauffolgenden Juli verteidigt habe. Mein erster Dank gilt Peter Niesen, der das Projekt als Betreuer auf jede erdenkliche Weise gefördert hat. Auch wenn er nicht allen Aussagen des Buchs zustimmt, wird die kundige Leserin seinen Einfluss wohl auf jeder Seite ausmachen können. Meine Anstellungen als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinen Professuren, erst an der TU Darmstadt (2011-2012) und später an der Universität Hamburg (2013-2016), haben mir die Durchführung des Vorhabens ermöglicht und das akademische Umfeld geboten, in dem das Buch entstehen konnte. Ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt hat die Förderung der Studienstiftung des deutschen Volkes, die mich bereits während des Studiums und anschließend mit einem Promotionsstipendium unterstützt hat. Mein Interesse an konstituierender Gewalt jenseits des Staates geht auf das Gesellschaftswissenschaftliche Kolleg "Gesellschaft und Staat im Wandel" zurück (2009-2011), wo ich Mitglied der von Bardo Fassbender und Angelika Siehr geleiteten Arbeitsgruppe "Die Umgestaltung des Völkerrechts zum Verfassungsrecht der internationalen Gemeinschaft" sein durfte. Bei der Ausarbeitung des methodischen Vorgehens habe ich von einem Forschungsaufenthalt am University College London (2012-2013) profitiert, wobei mein Dank meinem Gastgeber Richard Bellamy sowie Laura Valentini gilt, die den Kurs "Methods for PhD Students in Political Theory" koordiniert hat. Besonders danken möchte ich zudem Jürgen Habermas, der sich Zeit für zwei ausführliche Gespräche über rationale Rekonstruktion und verfassunggebende Gewalt in der Diskurstheorie des demokratischen Rechtsstaats genommen hat. Wichtige Anregungen habe ich außerdem von Antje Wiener erhalten, der Co-Betreuerin meiner Dissertation im Rahmen der Graduate School, sowie von Michael Zürn und Bill Scheuerman, die das Zweit- und Drittgutachten angefertigt haben. Von großer Hilfe waren auch die unzähligen Kommentare, die ich bei Kolloquien, Workshops und Konferenzen erhalten habe, unter anderem von Jelena von Achenbach, Friedrich Arndt, Jan Pieter Beetz, Jan Brezger, Hauke Brunkhorst, Andreas Busen, Simone Chambers, Ben Crum, Detlef von Daniels, Dorothea Gädeke, Felix Gerlsbeck, Eva Hausteiner, Daniel Jacob, Regina Kreide, Joseph Lacey, Bernd Ladwig, Mattias Kumm, Ingeborg Maus, Kolja Möller, Luise Müller, Antoinette Scherz, Cord Schmelzle, Maximilian Schormai

Inhalt

Inhalt Vorwort 7 1. Einleitung: Konstitutionalisierung zwischen Usurpation und Autorisierung 9 1.1 Verfassungspolitik - Leerstelle des Global Constitutionalism 14 1.2 Demokratietheoretische Vorüberlegungen 30 1.3 Aufbau der Untersuchung 38 2. Kritik des demokratischen Intergouvernementalismus 46 2.1 Suprastaatliche Verfassungspolitik als Kompetenzdistribution 47 2.2 Demokratisch-intergouvernementale Verfassungspolitik 66 2.3 Verselbstständigung öffentlicher Gewalt 71 3. Überlegungen zur Methode: Praxisorientierte Theoriebildung 87 3.1 Anforderungen an das methodische Vorgehen 89 3.2 Politischer Konstruktivismus 97 3.3 Rationale Rekonstruktion 112 4. Zur Idee des pouvoir constituant 120 4.1 Grundideen und Schwierigkeiten der klassischen Kategorie 122 4.2 Ein Vorschlag zur konzeptionellen Systematisierung 131 4.3 Evaluation von Modellen demokratischer Verfassungspolitik 143 5. Diskurstheorie konstituierender Gewalt I: Die staatliche Ebene 173 5.1 Das System der Rechte und die fortlaufende Gründung 175 5.2 Rationale Rekonstruktion der verfassunggebenden Praxis 182 5.3 Ein deliberatives Modell demokratischer Verfassungspolitik 199 6. Zur Idee des suprastaatlichen pouvoir constituant 217 6.1 Zur Notwendigkeit begrifflicher Innovation 218 6.2 Problematische Strategien der Begriffsrevision 230 6.3 Die Aufstufung konstituierender Gewalt 251 7. Diskurstheorie konstituierender Gewalt II: Die suprastaatliche Ebene 265 7.1 Strukturelle Merkmale und normative Gehalte der Praxis 267 7.2 Prinzipien konstituierender Gewalt jenseits des Staates 283 7.3 Mehrebenenmodell verfassungspolitischer Schleusensysteme 298 8. Schlussbetrachtung: Aufstand oder Avantgarde? 313 Literatur 322 Nachweise 363